August 2025
Mit dem Wind ...
… über einen Haufen leckerer Beeren gestolpert. Also zum Glück waren das nicht die mit dem “ä“. Die werden besser nur im Zoo besucht. Das ist deutlich sicherer, als einem Braun- oder Eisbären in freier Wildbahn über den Weg zu laufen. Und lecker sind die auch nicht. Obwohl: Wenn ich mich recht erinnere, wurden die Bärentatzen der Grizzlys damals in den Abenteuergeschichten von Karl May vernascht. Aber das war in einem anderen Jahrtausend.
Übrigens: Falls Sie den versprochenen zweiten Teil der Sinne-Kolumne aus dem Juli vermissen, haben Sie recht. Aber da kamen mir eben besagte Beeren dazwischen, die zunächst von mir verspeist wurden, um sich anschließend zu einer Kolumne zu entwickeln. Kann man nichts machen. Aber fest versprochen: Die restlichen Sinne gibt’s im September. Außerdem ist so ein Haufen leckerer Beeren ja auch eine sehr sinn-volle Angelegenheit. Ein zuckersüßer Augen- und Gaumenschmaus. Und wie die duften!
Aber jetzt mal zurück auf Anfang! Da spazierte ich die Tage ganz entspannt durch den Wald zwischen St. Otto und Trassenheide und wurde überraschenderweise fündig. Einige kleine Walderdbeeren säumten als rote Farbkleckse meinen Weg. Die Sonnenstrahlen der vergangenen Woche hatten sie zu waren Genussmonstern heranreifen lassen. Ganz anders als deren “erwachsene“ Kolleginnen, die man in den Supermarktregalen findet. Wenn die Winzlinge nur etwas größer ausfallen würden. Aber wahrscheinlich wäre dieser Genuss auch einfach zu übermächtig, um ihn zu verkraften. Stellen Sie sich mal eine voll ausgereifte Walderdbeere XXL in ihrem Mund vor! Der liebe Gott hat mit Sicherheit aus reiner Rücksicht auf unsere überforderten Geschmacksknospen dafür gesorgt, dass die Dinger so mickrig bleiben. Außerdem hätte ich neben einer riesigen Monster-Walderdbeere wahrscheinlich die ebenso leckere Blaubeere am Strauch daneben übersehen. Genauso klein wie die Normalo-Walderdbeere, aber in ihrem dunkelblauen Kleid deutlich unauffälliger. Soo lecker!
Ich kenne nicht wenige Menschen, die – mit großen Joghurtbechern bewaffnet – stundenlang vor sich hinpflücken. Marmelade, Müslizusatz oder einfach eine Vitaminbombe nach dem Abendbrot.
Ich bin da ja eher der Typ Sofortverbraucher. Bücken, pflücken und ab in den Mund. Mhhh!!!
Keine Geduld, sagen Sie? Nee, nee! Das ist reiner Selbstschutz, denn im Otto-Wald wimmelt es nur so von Zecken und Mücken. Und die wissen, welche Anziehungskraft die köstlichen Beeren auf ihre warmblütigen Opfer besitzen. So lauern sie im Halbdunkel zwischen den Büschen, um sich in blutdurstigen Wolken oder saugstarken Kolonien auf ihre arglosen Opfer zu stürzen. Doctan? Autan? Dicke Klamotten trotz 30°C im Schatten, oder andere, totsichere Hausmittelchen? Können Sie vergessen! Wahrscheinlich sind die Biester im Otto-Wald immun gegen jede Schutzmaßnahme. Oder ganz einfach nur seeehr hungrig!
Also bücken, zugreifen und ab in den Mund mit den Beeren. Und dann? Nichts wie weg.
Aber da existiert ja auch noch der böse Fuchsbandwurm, der auf den Beeren lauert, um uns das Leben zur Hölle zu machen! Ach, der Fuchsbandwurm. Den gab es in meiner Kindheit und Jugend noch nicht. Also zumindest nicht im kollektiven Bewusstsein der Beerenpflücker und Pilzsammler.
Nach vielen Jahren, in denen ich meinen Kindern Beerenpflückabstinenz verordnet habe, bin ich persönlich zur Variante “no risk, no fun“ zurückgekehrt. Das Leben ist viel zu schön, um auf den unvergleichlichen Genuss frisch gepflückter Beeren zu verzichten und stattdessen vor allem und jedem Angst zu haben. Also außer vor den fiesen Mücken natürlich!
Sie sind noch nicht auf meinem Altersignoranzniveau angekommen? Dann nehmen Sie sich doch einfach die schönen Brombeerhecken an der Wolgaster Waterkant vor. Die Beeren bis Kniehöhe überlassen sie getrost dem Bandwurm. Duellieren Sie sich stattdessen um die sonnengereiften Exemplare in luftiger Höhe mit den ortsansässigen Piepmätzen. Um den ein oder anderen Zeckenbiss oder Mückenstich werden Sie natürlich auch hier nicht herumkommen, denn die Gleichung Beere+lecker=Mücke+Zecke gilt - bis auf holländische Gewächshäuser - mit absoluter Zuverlässigkeit. Das ist empirisch bewiesen und persönlich validierter.
Sie sind zu klein, um die oberen Regionen zu erreichen? Kein Problem: So eine transportable Alutrittleiter ist doch nicht schwer. Nur hüten Sie sich vor neidischen Mitbürgern! Es soll schon vorgekommen sein, dass der ein oder anderen Pflücker mitsamt seiner Leiter in die Hecke geschubst wurde. Das soll richtig unangenehm sein, habe ich mir berichten lassen.
Aber warum hat uns der liebe Gott das Pflücken eigentlich so erschwert, indem er die meisten Beeren nicht nur mit wehrhaften Dornen versehen hat, sondern zudem noch mit einer Schutz-Armada von blutsaugenden Quälgeistern. Schließlich heißt der doch “lieber“ und nicht “fieser“ Gott?
Ich denke, die Sache ist klar. Der liebe Gott denkt an alle. Und wir, wir denken oft nur an uns. Wenn der Schöpfer keine wirksamen Regulierungsmaßnahmen in Form der blutsaugenden Parasiten engagiert hätte, würde der erste Pflücker mit Sicherheit für einen Beeren-Kahlschlag sorgen. Und was bliebe dann für den Rest? Nichts! All die leckeren Beeren in einen Magen? Das wäre doch wirklich ungerecht. Oder was meinen Sie?